The Cement Garden
Andrew Birkin, France, Allemagne, GB, 1993o
Après la disparition de leurs parents, des enfants devenus libres et solitaires inventent leur propre monde et leur propre moralité.
Wie entwickelt sich eine Gruppe von Menschen, wenn sie eine Zeitlang von der übrigen Gesellschaft abgeschottet lebt? Mit dieser Frage beschäftigen sich unzählige Bücher und Filme, die auf Inseln, in abgelegenen Dörfern und Häusern spielen. Der britische Schriftsteller Ian McEwan hat das Gedankenexperiment in seinem Erstlingsroman The Cement Garden (1978) auf vier Kids angewendet, die mit ihren Eltern im Niemandsland am Rand einer namenlosen Stadt wohnen. Als der Vater an einem Herzinfarkt stirbt und die kränkelnde Mutter wenige Wochen später tot im Bett liegt, bleiben die beiden Teenager Jack und Julie mit ihren zwei jüngeren Geschwistern über die Sommerferien sich selbst überlassen. Aus Sorge über ihre Trennung und Abschiebung in Internate zementieren sie die Mutter kurzerhand in einem Kleiderspind ein, Küchenarbeiten und Körperpflege schrumpfen aufs Nötigste, die beiden älteren mutieren zu verliebten Ersatzeltern, der Kleinste schrittweise zum Säugling … Anders gesagt: McEwan kombiniert die Verwilderungs- mit der Eigendynamik-These. In der Abschottung schwinden zivilisatorische Standards und werden durch Regeln von bizarrer Logik ersetzt, die der spezifischen Konstellation geschuldet ist. In seiner Buchverfilmung von 1993 besetzte Andrew Birkin, Bruder der berühmteren Jane, Claires Rolle sehr glücklich mit seiner mädchenhaften Nichte Charlotte Gainsbourg und das jüngste der Kinder mit seinem eigenen Sohn. Weniger natürlich wirken die (bald abtretenden) Eltern, etwas schlaff Andrew Robertson als der pickelige Science-Fiction-Fan Jack, aus dessen Sicht vorwiegend erzählt wird. Dennoch entwickelt der Film, der nun in exzellenter Restaurierung vorliegt, einen ganz eigenen, morbiden Charme. Statt Grauslichem und den drohenden Szenen fummelnder Teenager schafft Birkin mit exzellenter Ausstattung eine Atmosphäre zunehmender Entwirklichung. Wenn zuletzt das Blaulicht der Polizei das zivilisatorische Zwielicht des Hausinnern rhythmisch aufhellt, ist selbst dies von seltsamer Schönheit.
Andreas FurlerGalerie photoso
