Hive
Blerta Basholli, Albanie, Macédoine, Suisse, 2022o
Farhije est sans nouvelles de son mari, porté disparu comme tant d’autres, pendant la guerre au Kosovo. Elle est seule pour subvenir aux besoins de ses deux enfants et de son beau-père invalide. Pour nourrir sa famille, elle décide de passer son permis de conduire et de créer une coopérative agricole avec d’autres femmes dans la même situation qu’elle, pour produire et vendre de l’Ajvar. Mais ses ambitions et sa volonté d’autonomie choquent et font jaser les villageois dont certains vont jusqu’à saboter son travail. Têtue, énergique et libre d’esprit, Farhije se bat sans relâche contre les préjugés de sa communauté pour offrir un avenir à ses enfants et aux femmes de son village, tout en faisant le deuil de l’homme qu’elle aimait.
Le premier long métrage de la Kosovare Blerta Basholli, 40 ans, qui s'est déjà fait remarquer par des courts métrages et des documentaires, n'a rien de joyeux à première vue mais s'annonce pourtant comme une bonne nouvelle pour ce jeune pays des Balkans. Là-bas aussi, on voit que les femmes sont en train de prendre leur vie en main et de défier les machos présomptueux et les ploucs. Basé sur un fait réel, Basholli raconte l'histoire de Fahrije, une paysanne et mère de famille dont le mari a disparu pendant la guerre du Kosovo. Comme il y a peu d'espoir que le disparu revienne, Fahrije prend littéralement les commandes pour que sa famille continue à vivre : elle apprend à conduire et fonde avec des femmes du village une coopérative qui produit à la main des poivrons en conserve, provoquant l'intervention de saboteurs réactionnaires. L'autrice-réalisatrice raconte tout cela très sereinement, c'est-à-dire en sachant pertinemment que le progrès social est inéluctable, quelle que soit la résistance. On est de tout cœur avec elle.
Andreas FurlerAu-delà de sa dimension féministe, La Ruche captive aussi par son évocation des cicatrices de l’histoire dès sa première scène : un plan-séquence impressionnant où Fahrije ouvre avec fébrilité les sacs dans lesquels ont été glissés les restes d’un charnier.
Samuel DouhaireCette œuvre intense et tragique met en perspective la question sensible du Kosovo à travers le portrait d’une femme, résolue à faire de son existence et celle des autres femmes du village, un projet émancipation sociale et culturelle. Un film puissant.
Laurent CambonDans son premier long-métrage, la Kosovare Blerta Basholli retrace l'histoire galvanisante, et réelle, d'un groupe de femmes remarquables de force, de persévérance et d'ingéniosité.
Vladan PetkovicGalerie photoso
Blerta Basholli erzählt in ihrem Spielfilm die wahre Geschichte von Fahrije. Deren Mann wird seit dem Krieg vermisst. Die Frau geht einen ungewöhnlichen Weg, um zu überleben.
Rot-weisse Absperrbänder flattern im Wind, dahinter stehen Plastikzelte und Lastwagen, in denen reihenweise weisse Säcke liegen. Fahrije will sie öffnen.
In der letzten Märzwoche 1999 töteten serbische Einheiten während des Kosovo-Kriegs im Dorf Krusha e Madhe über 240 Menschen, die meisten von ihnen Männer. Fahrije ist eine Überlebende, eine jener Frauen, die zurückblieben und die bis heute darauf warten, dass die Vermissten zurückkehren. Oder zumindest gefunden werden.
Die kosovarische Regisseurin Blerta Basholli hat darüber einen eindringlichen Film gedreht. Aber vor allem auch darüber, wie Fahrije zur erfolgreichen Unternehmerin wurde und Dutzenden Kriegswitwen zu einer neuen Existenz verhalf. Allen patriarchalen Widerständen zum Trotz.
Die echte Ajvar-Unternehmerin
«Hive» ist Bashollis erster Spielfilm und beruht auf wahren Begebenheiten. «Für mich ist Fahrije eine Superheldin», sagt Blerta Basholli über Zoom. Trotzdem wollte sie keine hochstilisierte Erfolgsgeschichte zeigen. Sie wollte eine Hauptfigur, die auch fragil ist – bevor sie wieder aufsteht und weitermacht. Denn das ist die Geschichte der echten Fahrije, Fahrije Hoti aus Krusha e Madhe.
Gerade im März 2021 hat Hoti im Dorf eine neue Fabrik zur Ajvar-Produktion eröffnet. Ajvar – das rote Peperonimus – ist auf dem ganzen Balkan beliebt. Mittlerweile beschäftigt Hoti rund 100 Frauen, viele von ihnen sind Witwen und Frauen von bis heute Vermissten. Ihre mit Gemüse gefüllten Einmachgläser stehen auch in den Regalen von Schweizer Supermärkten.
Der Weg dahin war steinig. Das zeigt Basholli in «Hive» so ungeschönt, dass ein Mann, der ursprünglich aus Fahrije Hotis Dorf stammt, in der Vorstellung am Zurich Film Festival aufstand und sagte, die Regisseurin würde die Männer aus Krusha e Madhe zu böse darstellen. «Natürlich gab es auch jene, die den Frauen halfen. Aber es gab auch die anderen», so Basholli, die mit «Hive» bewusst Diskussionen um Genderfragen anstossen möchte.
Normen, die alle lähmen
Als ihr Filmcharakter Fahrije in der lokalen Frauengruppe hört, dass sie und ihre Kolleginnen die Möglichkeit haben, den Führerausweis zu machen, meldet sie sich sofort. Der Honig aus dem eigenen Garten verkauft sich auf dem Markt nur schlecht. Sie braucht mehr Arbeit, will in die Stadt fahren können.
Doch Witwen, die Auto fahren wollen, sind in Krusha e Madhe nicht vorgesehen. Die Dorfgemeinschaft funktioniert als Patriarchat und hält nicht nur die Frauen in Normen gefangen.
«Du solltest deinen Platz in der Familie kennen», fährt sie der Schwiegervater an, als ihm Fahrije erzählt, dass sie Auto fahren lernen möchte. «Bleiben Sie so gut wie möglich auf Ihrer Spur, jetzt in den zweiten Gang, sehr gut», sagt ihr Fahrlehrer kurze Zeit später. Und auch als die Leute aus dem Dorf sie beschimpfen, dass sich ihr vermisster Ehemann für sie schämen würde, lässt sie sich nicht beirren. Denn Fahrije hat einen Plan.
Nachdem der Leiter eines lokalen Supermarktes den ersten Löffel des selbst gemachten Ajvars probiert hat, gratuliert er Fahrije und ihrer ersten Mitstreiterin. «Das mögen die Leute, das ist gute Hausmannskost.»
Weitere Frauen im Dorf zu überzeugen, fortan mit Ajvar Geld zu verdienen, ist allerdings nicht leicht, auch das zeigt Basholli in ihrem Film – wie die Frauen sich gegenseitig verurteilen, beschimpfen. «Wenn du in einer patriarchalen Gesellschaft aufgewachsen bist, nimmst du dich und andere Frauen auf eine bestimmte Art wahr», so Basholli. Schliesslich ist der Erfolg stärker als das enge gesellschaftliche Korsett. Auch Fahrijes Schwiegervater klebt gegen Ende des Films stolz Etiketten auf die grossen, mit rotem Mus gefüllten Gläser.
«Ich möchte, dass die Leute das Kino mit einem hoffnungsvollen Gefühl verlassen», so Basholli. Sie sagt das im Wissen darum, dass ihr Film dem Publikum auch die Schwere nicht erspart. «Was ist das wohl für ein Schmerz, den man hat, wenn Angehörige seit über 20 Jahren vermisst werden?»
Lieber weiter hoffen
In ihrem Film nähert sich Basholli dieser Frage subtil an. Sie lässt die Figuren selten über ihre Gefühle sprechen. Stattdessen macht sie deren Einsamkeit als Gefühl beinahe greifbar. Auch der Schmerz bricht nur selten durch. Stets lauert er unter der Oberfläche. Die Kamera gleitet über Fahrijes Ehering, ruht auf dem Gartentor, durch welches jeweils die Leute kommen, die Neuigkeiten über den Verbleib der Überreste bringen. Der Sohn spricht über den Vater in der Gegenwart – «Kann Papa gut fischen?»
«Ich habe Fahrije gefragt, wie sie das alles geschafft hat», so Basholli über ihren Besuch bei der Unternehmerin, die ihr Business als Autodidaktin aufgebaut hatte und nie zur Universität ging. «Ich habe geweint», habe Fahrije Hoti geantwortet, «jeden Morgen.» Aber dann habe sie sich die Tränen abgewischt und sei zur Arbeit gegangen.
Dem Magazin «Kosovo 2.0» erzählte Hoti, dass nicht nur sie den Frauen geholfen habe, sondern dass es deren Gemeinschaft war, die auch sie am Leben gehalten habe. Basholli erklärte sie, dass sie es sich nicht hätte leisten können, verrückt zu werden – der Kinder wegen. Und manchmal, wenn die Verzweiflung unter den Frauen nicht mehr auszuhalten gewesen sei, habe sie Musik eingeschaltet. «Lasst uns einfach tanzen!» Einer der wenigen gelösten Augenblicke auch im Film.
Am eindrücklichsten sind jene Szenen, die zeigen, wie sich einige Angehörige an jede Hoffnung klammern. Der Schwiegervater verweigert lange, sein Blut zu geben, mittels dessen man die DNA der gefundenen Überreste zuordnen könnte. «Wir bringen ihn nicht um, wenn wir es wissen», sagt Fahrije im Film zu ihm. Fahrije Hoti sagte zu Basholli: «Manchmal warte ich noch immer auf ihn. Und frage mich: was, wenn er auftaucht?»
Realitäten einer Nachkriegsgesellschaft
Bei der Mehrheit der 1600 Personen, die nach dem Kosovo-Krieg weiterhin vermisst werden, handelt es sich um Kosovo-Albanerinnen und -Albaner, eine Minderheit gehört anderen ethnischen Gemeinschaften an.
In Pristina koordiniert das Büro des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes die Suche nach Vermissten. Am Internationalen Tag der Verschwundenen finden auf der zentralen Flaniermeile der Hauptstadt Mahnwachen statt. Über das Land verteilt wird an Jahrestagen der Massaker der Toten und noch nicht Gefundenen gedacht. Ab und an demonstrieren Angehörige in der Hauptstadt – man möge die Vermissten nicht vergessen. In den Medien werfen Aktivistinnen und Experten der Regierung vor, sie würde nicht genug tun und fragen, wieso auch über zwei Jahrzehnte nach dem Krieg noch immer nicht alle gefunden worden sind.
Immer wieder sind TV-Berichte zu sehen über Bagger, die in der Erde graben, weisse Zelte und weisse Hüllen. Erst im September dieses Jahres konnten die Überreste mehrerer Personen aus einem Massengrab in Südserbien nach Kosovo repatriiert werden.
Diese bis heute andauernde Realität einer Nachkriegsgesellschaft flicht Basholli ein in ihrem Film, als Alltag der Frauen und der Familien. Gefühlt fast schon zu unaufgeregt, gerade dadurch aber noch eingängiger.
Allein am Sundance Film Festival wurde «Hive» dreifach ausgezeichnet. Aktuell tourt der Film weiter an internationalen Festivals, gewinnt weiter einen Preis nach dem anderen und geht die Geschichte für Kosovo ins Oscar-Rennen. Die kosovo-albanische Gemeinschaft sei stolz, so Basholli, dass Fahrije Hotis Geschichte nun weltweit bekannt werde. Sie selbst findet, dass die Arbeit damit noch lange nicht getan ist, wenn es um die Emanzipation der Frauen in Kosovo geht. «Wenn das in Hollywood ein Problem ist, wie soll es denn in kosovarischen Dörfern sein?»
Mit knapp 20 Prozent weist Kosovo weltweit eine der tiefsten Erwerbsquoten von Frauen auf. Dennoch: Mittlerweile haben in Krusha e Madhe weitere Frauen ihre eigenen Landwirtschaftsunternehmen gegründet. «Die Leute haben sich daran gewöhnt», so Basholli.
Sie blick optimistisch in die Zukunft: «Wir sehen überall mehr Frauen in Kosovo. In der Wirtschaft, in der Kunst, im Sport. Wir haben eine Frau als Präsidentin.»
Sie ist davon überzeugt, dass es Frauen wie Fahrije Hoti sind, die tatsächlich etwas verändern, jene, die als Vorbilder vorangehen. «Das nützt mehr als jede Awareness-Kampagne über Menschenrechte.»